









Diese Headline von Kathrin Götze in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung / Lokalteil brachte mich auf die Idee für einen Jahresrückblick. Also gibt es in den nächsten Tagen 10 Bilder pro Monat aus dem seltsamen Jahr des Sebastian Stuertz, und zu jedem Bild einen Satz.
Am nächsten Montag ist es soweit: Ich darf für einen Monat ins mare Künstlerhaus einziehen. Die Hamburger Autorin Leona Stahlmann ist mit von der Partie, dazu noch zwei Musiker/Komponisten – fantastische WG!
Zum Lockdown in eine Villa eingesperrt zu werden, während rundherum das gesellschaftliche und kulturelle Leben zum Stillstand kommt, fühlt sich trotzdem ein wenig nach Kim „Private Island“ Kardashian an.
Man möchte in Anbetracht einer globalen Pandemie nicht von gutem Timing sprechen, aber wir alle müssen den November überwiegend daheim verbringen. Und so ist der Zeitpunkt des luxuriösen Lockdowns tatsächlich auf eine Art günstig: Mein zweiter Roman liegt bereits beim Verlag, und bevor es mit dem Lektorat losgeht, dauert es noch etwas, also kann ich mich ins nächste Abenteuer stürzen. Und hierzu kann ich nun endlich etwas erzählen, denn der Vertrag mit dem Hörverlag ist unterzeichnet, das Konzept steht, und ich bin bereits fleißig am Plotten.
„Der Russe in Marzahn“ ist der Arbeitstitel, und es wird ein Hörbuch, gelesen von Shenja Lacher. Der Schauspieler hat bereits meinen Charlie Berg ganz hervorragend eingelesen und hatte dabei auch noch großen Spaß.
Als wir uns letztes Jahr mit Christiane Collorio und Ana Kohler vom Hörverlag in München zur Feier des Hörbuchs (hier kann man reinhören) getroffen haben, erzählte Shenja, der in Marzahn aufgewachsen ist, Episoden aus seinem Leben und von seiner russischen Verwandtschaft – und wir lachten Tränen. Am Ende des Abends, den wir bei Shenja ausklingen ließen, gelang es den Hörverlagsfrauen, mich dazu zu überreden, mit dem Schauspieler, der zehn Jahre lang zum festen Ensemble des Residenztheaters München gehörte, eine Szene aus meinem Roman nachzuspielen. 🙈
Jedenfalls hatte Dr. Collorio vom Hörverlag danach die zauberhafte Idee, dass ich ein Hörbuch schreiben könnte, kurze Episoden, inspiriert von Motiven aus Shenjas Anekdoten – welches Shenja dann einlesen würde. Keine Biografie, sondern ein paar Zutaten aus dem Leben des Russen in Marzahn, verquirlt mit möglichst viel Wahnsinn. WIE GEIL IST DAS BITTE: Shenja mitsamt Stimme als Vorlage für eine Figur zu haben ist ein absolutes Geschenk beim Schreiben – meine Figuren bleiben sonst bis zu einem gewissen Grad vor meinem inneren Auge unscharf, und hier habe ich ein perfektes Modell. Das wird ein großer Spaß in der Villa.
Vielen Dank, Roger-Willemsen-Stiftung und Hamburger Kulturbehörde! ❤️
Peter Twiehaus vom ZDF Morgenmagazin hat mich besucht, wir haben einen Tag miteinander verbracht und er hat einen entzückenden Beitrag daraus gemacht. Hier ein paar Fotos vom Dreh.
Endlich Schrifti-Steller! Klick aufs Doppelkinn führt zum Beitrag.
Ich habe sehr lange an meinem Debüt geschrieben: „Das eiserne Herz des Charlie Berg“. Es ist zum Lockdown Mitte März erschienen und hat entsprechend wenig Aufmerksamkeit erhalten. Die Nominierung für den Klaus-Michael-Kühne-Preis war ein Lichtblick nach einer Veröffentlichung in der Krise, ohne Premiere, Buchmesse und ohne Lesereise.
Die andere Autorin, mit der ich für den gemeinsamen Abend im sogenannten Debütantensalon zusammengewürfelt wurde, war mir kein Begriff: Lisa Eckhart. Nach kurzer Recherche wurde aber schnell klar, welches Konzept sie verfolgt. Ich fand und finde es immer noch mehr als fragwürdig, in unseren Zeiten solcherlei Witze zu machen. Was Frau Eckhart für Witze macht und was das Problem daran ist, bringt Navid Kermani sehr gut auf den Punkt:
… ich halte Frau Eckharts Versuch ebenfalls für gescheitert, sich ausgerechnet im Gewand und Gestus einer Marlene Dietrich, die vor den Nazis geflohen ist, antisemitische und rassistische Stereotype zu eigen zu machen, um sie zu entlarven. So, wie ich den Auftritt wahrgenommen habe, als ungelenk und ziemlich naiv, bleiben vor allem die Stereotype hängen.
Navid Kermani in der ZEIT am 10.9.2020
Die vielzitierte „Doppelbödigkeit“ im Programm der Österreicherin konnte ich ebenfalls nicht erkennen. Was aber deutlich wurde: Derartig bewusste Provokation sorgt mit ziemlicher Sicherheit für Getöse – und bei einem gemeinsamen Abend würde ich vermutlich nur eine Randfigur darstellen. Es würde sich ausschließlich um Lisa Eckhart drehen. Meine Agentin riet mir deshalb, um einen gesonderten Lesungs-Termin zu bitten, damit ich die Aufmerksamkeit bekomme, die ich verdient habe. Also teilte ich der Festivalleitung meine Bedenken mit, und dass ich ungern mit Frau Eckhart auf der Bühne sitzen würde. Petra Bamberger und Nikolaus Hansen waren sehr kooperativ, sie boten mir an, die Veranstaltung in zwei Einzellesungen aufzutrennen, direkt nacheinander. Im Grunde bestand der Unterschied nur darin, dass wir im Internet getrennt angekündigt wurden und uns die Bühne nicht hätten teilen müssen. Das Angebot nahm ich dankend an. Es fühlte sich weder linksradikal noch nach Weimarer Verhältnissen an.
Was ich befürchtet habe, ist nun, nach Eckharts (auch für mich unnachvollziehbarer) Ausladung, eingetreten: Es gibt Getöse, und die Presse interessiert sich für meine Meinung zu einer ehemaligen Poetry Slammerin aus Österreich, von der ich ein paar sehr unlustige, menschenfeindliche Sekunden im Internet gesehen habe. Ich habe sie weder „zur Unperson erklärt“, noch habe ich verlangt, dass sie ausgeladen wird – ich habe mich lediglich darüber gewundert, dass sie eingeladen wurde.
Doch heute musste ich lesen, dass „zwei Schriftsteller für die Ausladung von Frau Eckhart verantwortlich“ sind, und dass ich mit meinem Verhalten „Zustände wie in einem Bürgerkrieg“ riskiere. So Navid Kermani in der Eröffnungsrede des Harbourfront Festivals.
Geht es nicht eine Nummer kleiner, Herr Kermani?
Liebe Grüße an alle, peace,
Euer Sebastian
PS.: FUN FACT: In meinem Debütroman geht es um einen Debütanten-Literaturwettbewerb – eine junge Autorin, die stets in maßgeschneiderten Kostümen auftritt, sorgt mit einem Nazi-Hunde-Roman für einen kleinen Skandal. Ihr Buch verkauft sich daraufhin prächtig.
PPS: Hier noch das Statement des Kollegen Benjamin Quaderer, der auch nicht mit L.E. auf eine Bühne wollte:
Thema Harbour Front pic.twitter.com/otsFDOxLyA
— Benjamin Quaderer (@quadererer) September 10, 2020
„Manche Bücher hauen einen um und sind so ungewöhnlich, dass sie einem erst mal nicht aus dem Kopf gehen. ‚Das eiserne Herz des Charlie Berg‘ ist so eins. Dem 46-jährigen Wahlhamburger ist so was wie ein Meisterwerk gelungen.“
Annette Matz, NDR Kultur
Inzwischen haben so viele tolle Menschen so unfassbar schöne Dinge über meinen Debütroman gesagt, dass es sich lohnt, eine eigene Seite dafür einzurichten.
Alle möglichen gebeutelten Kulturschaffenden posten, talken, streamen irgendwas irgendwohin, ganze ehrlich: unterhaltsam ist leider die Ausnahme. Lesungen finde ich schon im echten Leben oft zu lang und zu öde – ich gehe eigentlich nur wegen des Talkteils zu solchen Veranstaltungen bzw. um Menschen zu treffen oder kennenzulernen. Jetzt finden sie schlecht ausgeleuchtet und mies klingend statt, ich habe bisher nur ein paar Minuten in eine reingeguckt, von Menschen, die ich interessant und sympathisch finde, deren Bücher ich auch gut finde oder zumindest für lesenswert halte, habe es aber rein klangtechnisch und ästhetisch wirklich nicht lange ertragen. Will ich da also mitmachen, ein Debütant, den quasi niemand kennt, dessen Erstling eines der vielen Opfer der Corona-Krise ist (mimimi!) und der jetzt jede Aufmerksamkeit braucht? Ich könnte heulen, na klar, es ist fürchterlich, ich habe viele Jahre an diesem bekloppten Buch gefeilt, einen tollen Verlag gefunden, und jetzt: PUFF. Muss ich da also mitmachen, um nicht komplett übersehen und vergessen zu werden? Ja, leider, und na klar, macht doch auch Spaß irgendwie, aber nein, nervt doch total: „Hallo, ich habe ein Buch geschrieben, hier bin ich, hier hier hier!“ Es fühlt sich schmutzig an – schon vor der Krise musste ich mich aufs Übelste beschimpfen lassen für meine Eigenwerbung auf Facebook und Instagram, war auch zeitweise extrem angekotzt von der Notwendigkeit, mitmachen zu müssen und nachträglich entsetzt von den kleinen Dopaminschüben, die ein paar Likes auslösen können, WOW, MEIN ERSTER POST MIT ÜBER XXX LIKES, GEIL, ICH HABE ENDLICH XXX FOLLOWER, kurzer Rausch, und schon bald danach wünschte (und wünsche) ich mir nichts sehnlicher, als eeeendlich einen Bekanntheitsgrad zu haben, der es erlaubt, sämtliche Social-Media-Aktivitäten einfach einzustellen oder, noch besser, von ANGESTELLTEN erledigen zu lassen. Das frisst nämlich Zeit, das ganze Geposte und Kommentiere, da man ja nicht nur postet und kommentiert sondern auch kuckt was die anderen machen, und so ist das einfach nur eine Mischung aus Sucht und Nebenjob, gehört dazu, muss man mitmachen: Eigen-PR. Leider oftmals ein frustrierender Job, da man sich ständig vergleicht, mit beliebteren, erfolgreicheren, lustigeren, schöneren, jüngeren, hipperen, weiseren Leuten. Und immer wenn man ein banales Bild von einem Kuchen oder einer Katze sieht, fällt einem auf, oh Scheiße, ich zeige den Leuten ständig Bilder von meinem UNFASSBAR NIEDLICHEN HUND und mache Bilder von meinen IMMER GLEICHEN WALDSPAZIERGÄNGEN – WER WILL DAS SEHEN??? Und wenn ich dann die witzigen Tweets von Till Raether, Ilona Hartmann, Jan Skudlarek oder Peter Wittkamp lese, oder die klugen, informativen Insta-Posts von Johanna Adorjan oder Insta-Stories von Sophie Passmann, dann denke ich: Wer bin ich eigentlich, dass ich meine, hier mitmachen zu dürfen? Es ist ein Kreuz, ich hasse es, ich will nicht mehr, und jetzt, wo es wichtiger denn je ist, mit QUALITY CONTENT aus der Masse herauszustechen, merke ich, wie social-media-müde ich bin. Die lieben Kolleg:innen Melanie Raabe, Leona Stahlmann und Frank Berzbach legen eine Social-Media-Pause ein, ICH WILL AUCH! Meine Insta-Bubble ist ein endloser Stream aus Buchtipps und digital-Lesungen, dabei ist mein SUB (aka Stapel ungelesener Bücher) inzwischen so groß, dass ich ein extra Regal dafür brauche.
Wer will einen Debütautoren über die Notwendigkeit klagen hören, sich selbst vermarkten zu müssen, wenn er im Gespräch bleiben möchte? Angeblich will Melanie Raabe es hören bzw. lesen. Bitte sehr, Melanie, here comes my Gejammer!
Ich kann nicht aufhören. Corona, dieser Arsch, hat mir mein Debüt derart versaut, und ich habe mein Buch noch nicht aufgegeben. Ich will noch weiter den Kontakt zu Leser:innen von denen mich einige ohne Social Media gar nicht kennen würden, und Kontakt zu den lieben Kolleg:innen pflegen, von denen ich einige ohne Social Media auch nicht kennen würde, ich will Lesungstermine bekanntgeben (es gibt wieder ECHTE LESUNGEN!), will mich mit tollen Rezensionen meines Buches aus dem Insta-Kosmos selbst beweihräuchern und will sehen, wie die großartige Celeste Barber an einer Pole Dancing Stange hängt wie ein nasser Sack. Und freue mich auf die Social-Media-Pause, die hoffentlich irgendwann kommt …
Ich freue mich sehr:
Mein Debütroman ist BUCH DES MONATS beim NDR im April.
Es gibt einen tollen Beitrag von Natascha Geier im Kulturjournal.
Moderatorin Julia Westlake:
„Das eiserne Herz des Charlie Berg ist ein rasanter, unglaublich fantasievoll geschriebener Roman mit vielen Volten und klugen Seitensträngen, die sich irgendwann alle verdichten und zu einem großen Ganzen fügen. Es liest sich wie ein Krimi, hat man einmal angefangen, kann man nicht mehr aufhören. Spannend, tief, toll.“
Wow.
Heute hören wir das Vorwort aus Christine Koschmieders Roman „TRÜMMERFRAUEN“, und es ist beängstigend aktuell.
https://edition-nautilus.de/programm/truemmerfrauen-ein-heimatroman/