Vor über zwanzig Jahren (1995) habe ich mich mit meinem Freund, dem großen Nikolaus eine Woche lang im Ferienhaus meiner Oma eingeschlossen, um Musik aufzunehmen. Dabei vertonten wir auch das erste Mal einen fremden Text. Ein wahllos aus dem Bücherregal gegriffener und nach dem Zufallsprinzip aufgeschlagener Band von Brecht war der Ursprung. Ich hatte damals keine Ahnung von und keine Meinung zu Brecht, ich weiß noch, wie mich die sexuelle Komponente des Textes überraschte.
Dank unserer Vertonung kann ich nun also einen fragwürdigen Teil aus Berthold Brechts Werk für immer auswendig. Diese Lieblingszeile finde ich immer noch fast ein Tattoo wert. Vor kurzem habe ich ein altes Foto entdeckt, das ich gemacht habe, als ich in einem alten Skizzenheft dieses Skribble entdeckt habe. Die Erinnerung an eine Erinnerung an eine Erinnerung.
Die Phasen des konzentrierten sich-fallen-lassen-Könnens in kreative Prozesse sind der größte Luxus, die das Leben mit Anfang zwanzig zu bieten hat. Erst der Alltag eines Freiberuflers mit Familie macht einem deutlich, wie verschwenderisch man damals mit seiner Zeit umgegangen ist. Hätte ich doch damals nur die Effizienz gehabt, zu der einen das Leben als Erwachsener zwangsläufig erzieht. Ich frage mich immer: Warum soll man eigentlich nicht bereuen? Ich bereue, in jungen Jahren nicht zielstrebig genug gewesen zu sein, auch wenn all der sinnlose Output am Ende wichtig war und mich zu dem gemacht hat, der hier nun sitzt und diese Zeilen schreibt und hochzufrieden mit seinem Leben ist.
Also ihr jungen Leute, lasst es euch gesagt sein: Genießt das Leben, aber lasst es euch gesagt sein: Später habt ihr keine Zeit mehr. Das Leben mit Kindern ist schön, wirklich, aber es ändert alles. Grundsätzlich. Für immer.